Klimaschutzprojekte

Klimaneutralität: Die Rolle der CO₂-Kompensation

07.11.2022 | CO₂-Kompensation ist für viele Unternehmen ein nötiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität, immer im Dreiklang mit Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung. Sie kann eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Wir haben die wichtigsten Informationen rund um Qualitätskriterien, Kontrollmechanismen und Standards zusammengefasst.

Klimaschutzmaßnahmen reichen bisher nicht aus

Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) hat einen erheblichen Einfluss auf das globale Klima. Der menschengemachten Klimawandel führt zu steigenden Temperaturen, größeren Klimaschwankungen und Extremwetterereignissen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben 195 Länder im Pariser Klimaschutz-Abkommen erklärt, die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter 2 °C begrenzen zu wollen.


Climate Action Tracker

Die Climate Analytics und NewClimate Institute, zwei non-profit Organisationen, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen, haben den sogenannten Climate Action Tracker entwickelt.

Dieses unabhängige wissenschaftliche Analysetool verfolgt die Klimaschutzmaßnahmen der Regierungen und misst sie am global vereinbarten Ziel des Pariser Abkommens, „die Erwärmung deutlich unter 2 °C zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen“.

Der Climate Action Tracker (siehe Abbildung) visualisiert, welche Maßnahmen zu welcher globalen Erwärmung im Jahr 2100 führen – im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Er zeigt, dass selbst im optimistischsten Szenario (türkis) dieses Ziel (grüner Bereich) verfehlt werden könnte. Die aktuell weltweit beschlossenen Maßnahmen (dunkelblau) reichen sogar mit Sicherheit nicht aus und verfehlen das Ziel deutlich.

Climate Action Tracker (November 2022)
© Climate Analytics and NewClimate Institute
https://climateactiontracker.org/global/cat-thermometer

Die Bedeutung von Klimaschutz ist unumstritten

Die Studie „Climate Sentiment“1 des Unternehmens Deloitte von Oktober 2021 zeigt, dass diese Entwicklungen bei den Konsument*innen zu einem steigenden Bewusstsein für die Klima-Problematik führen. Beispielsweise wird bei Kaufentscheidungen der CO2-Fußabdruck eines Produkts als Kriterium herangezogen:

  • 58 % der befragten deutschen Verbraucher*innen sind beunruhigt über den Klimawandel.
  • 44 % sind skeptisch, ob weltweit ausreichende Maßnahmen getroffen werden.
  • 59 % kauften im letzten Monat nachhaltige Produkte, um das Klima zu schützen.

Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität

Viele Unternehmen übernehmen im Kampf gegen den Klimawandel Verantwortung und setzen sich Klimaneutralität als Ziel. Auf dem Weg dorthin ist ein Schritt meist die Kompensation von CO2-Emissionen: Mit dem Kauf von Zertifikaten unterstützen sie Klimaschutzprojekte, die CO2 einsparen, und gleichen so unvermeidbare unternehmenseigene Emissionen aus. Solche Projekte fördern z. B. den Ausbau von Solarenergie oder Windkraft.

Es gibt verschiedene Gründe, warum Unternehmen ihre Emissionen ausgleichen. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts2 hat den freiwilligen Kompensationsmarkt analysiert. 80 % der Befragten geben Umwelt- und Klimaschutz als wichtiges Motiv an. Weitere genannte Gründe sind das Ziel der Klimaneutralität, rechtliche Anforderungen oder auch Marketing und PR. Das steigende Interesse an CO2-Kompensation zeigt sich im Marktwachstum für Zertifikate. In den letzten 4 Jahren ist der Markt für Zertifikate in Deutschland jährlich um etwa 63 % gewachsen. Doch worauf sollte man beim CO2-Ausgleich achten?

Von Kyoto nach Paris: neue Qualitätskriterien

Bis 2020 bestimmte das Kyoto-Protokoll den freiwilligen Kompensationsmarkt. Es wurde 2021 vom Regelwerk des Pariser Klimaschutzabkommens abgelöst. Das bedeutet, dass alle Zertifikate mit einem Ausstellungsdatum nach 2020 unter das Regelwerk des Pariser Abkommens fallen.

Ein bedeutender Unterschied besteht in der Verpflichtung der Länder, zunächst den Fokus auf die eigene Klimabilanz zu legen, bevor Zertifikate aus Klimaschutzprojekten weiterverkauft werden dürfen. In Artikel 6 des Pariser Abkommens werden die Regeln für den freiwilligen Kompensationsmarkt festgelegt. Der Artikel 6.4 definiert beispielsweise Qualitätskriterien und soll die Transparenz des Markts erhöhen.

Mit dem Pariser Abkommen wird außerdem die Doppelzählung durch sogenannte „Corresponding Adjustments“ vermieden. Alle Länder weltweit haben ein eigenes Emissionsziel – die freiwillige Kompensation eines Unternehmens wird aber nicht zusätzlich von dem Land, in dem sich das Klimaschutzprojekt befindet, angerechnet.

Außerdem wird definiert, dass Klimaschutzprojekte immer eine Steigerung zu den bereits definierten Zielen des jeweiligen Landes darstellen müssen. Projekte, die bereits Bestandteil der nationalen Klimaschutzziele sind, können somit nicht mehr als Zertifikate gehandelt werden.

Durch das neue Regelwerk werden verstärkt Projekte gehandelt, die die Förderung der UN-Entwicklungsziele beinhalten sowie die dauerhafte Bindung von CO2 ermöglichen.

Insgesamt führen diese Entwicklungen zu signifikanten Preissteigerungen. Außerdem verkürzt und verringert sich die Verfügbarkeit handelbarer Zertifikate. Eine mehrjährige Abnahme oder Reservierung ist daher empfehlenswert.

CO₂ vermeiden, reduzieren, kompensieren

Der erste Schritt auf dem Weg zur CO2-Neutralität besteht darin, eine detaillierte CO2-Bilanz aufzustellen. Sie gibt einen Überblick über die CO2-Emissionen (Scope 1, 2 und 3) des Unternehmens. Bevor es an den eigentlichen CO2-Ausgleich geht, sollte geprüft werden, an welchen Stellen im Unternehmen sich Treibhausgase vermeiden und reduzieren lassen. Unvermeidbare Rest-Emissionen können dann über ein passendes Kompensations-Produkt ausgeglichen werden.

Die teilnehmenden Organisationen in der Studie des Umweltbundesamts2 kompensieren am häufigsten den gesamten unternehmerischen Fußabdruck. Auch Flüge sowie Emissionen aus der Nutzung von Strom und Wärme werden häufig kompensiert.

Scope 1, 2 und 3: Hintergrundwissen zu CO₂-Emissionen

In der Bilanzierung von CO2-Emissionen werden 3 sogenannte „Scopes“ unterschieden:

  • Scope 1 umfasst direkte Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen (z. B. aus der Produktion).
  • Scope 2 adressiert indirekte Emissionen aus dem Kauf von Energie (z. B. eingekaufter Strom).
  • Scope 3 umfasst indirekte Emissionen aus der Lieferkette (z. B. Zulieferer, Geschäftsreisen der Mitarbeiter*innen oder Transport).

 

Der Ablauf eines Kompensationsvorgangs in 5 Schritten:

1. Definition des Kompensationsziels
Das Unternehmen muss klären, welche Emissionen kompensiert werden sollen, also beispielsweise nur der Fußabdruck eines bestimmten Produktes, einer Emissionskategorie oder der gesamte Fußabdruck des Unternehmens.
 

2. Anforderungen an ein Kompensationsprojekt
Nun muss festgelegt werden, welcher Zertifizierungsstandard, welcher Projekt-Typ (Ort, Art) und welche zu unterstützenden Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) gewählt werden. 

17 Sustainable Development Goals

Weitere zu beachtende Aspekte sind: Wie und wann wird die Kompensation kommuniziert? Gibt es Anforderungen von Initiativen, denen das Unternehmen angehört?

Idealerweise sollten nur Projekte mit international bekannten Standards, wie z. B. dem „Gold Standard“, in Betracht gezogen werden. Außerdem sollten die Projekte mindestens 2 bis 3 SDGs neben dem SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) unterstützen. Darüber hinaus kann auch ein regionaler Beitrag in Betracht gezogen werden.
 

 

3. Partnersuche
Nun geht es darum, einen geeigneten und vertrauensvollen Partner zu finden, der die zuvor definierten Ziele erfüllt. Hierbei stehen Transparenz, die Beachtung des Pariser Abkommens sowie die Vertrauenswürdigkeit des Partners im Vordergrund. Anhaltspunkte können Referenzen, die Transparenz bezüglich der Herkunft der Zertifikate sowie die Zugehörigkeit zu Initiativen und Netzwerken liefern.
 

4. Stilllegung der Emissionen
Mit dem ausgewählten Partner wird der genaue Prozess der sogenannten Stilllegung der Emissionen besprochen. Das bedeutet, dass für das Unternehmen Zertifikate über eine entsprechende Menge an eingespartem CO2 aus dem Handel gezogen werden. Dabei sollten die Unternehmen eine Seriennummer für ihre Stilllegung sowie eine offizielle Eintragung erhalten. 
 

5. Zeit nach der Stilllegung
Ein wichtiger Aspekt nach der Stilllegung ist die Kommunikation und Nutzung des Beitrags zum Klimaschutz. Unternehmen sollten sich auch überlegen, wie und in welchem Umfang sie in Kontakt mit dem Kompensationsprojekt bleiben wollen.

Ist CO₂-Kompensation echter Klimaschutz?

CO2-Kompensation wird teilweise als „Ablasshandel“ kritisiert. Tatsächlich gibt es Aspekte, die kritisch betrachtet werden sollten, z. B. ob die im Zertifikat berechnete CO2-Reduktion auch der tatsächlichen Einsparung entspricht. Kontrollmechanismen bzw. ein Monitoring-System können hier helfen.

Das Konzept im Ganzen zu verurteilen, wäre jedoch voreilig. Die Auseinandersetzung mit dem Thema schafft ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Klimaschädlichkeit von Produkten und Dienstleistungen. Unternehmen und Privatpersonen werden aufgefordert, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Durch den Kompensationsmarkt bekommt die Ressource Klima einen Preis, statt wie bisher als allgemein vorhandenes Gut betrachtet zu werden. Viele Projekte haben außerdem positive Effekte auf Klima und Gesellschaft, die ohne die Finanzierung durch Zertifikate nicht zustande gekommen wären.

In der Studie des Umweltbundesamts2 geben nur 7 % der Befragten als Grund nicht zu kompensieren an, dass sie das Prinzip der Kompensation ablehnen. 42 % begründen dies damit, dass sie noch im Prozess der Vermeidung und Reduzierung begriffen sind und der Schritt der Kompensation noch aussteht.

Während in einer früheren Studie2 die Kosten noch sehr relevant waren, spielen sie jetzt nur noch für 3 % der Befragten eine Rolle. Vielen stellt sich der Markt als unübersichtlich dar. Dem soll der „Gold Standard“ entgegenwirken, der gemeinsam mit dem „Clean Development Mechanism (CDM)“ als Standard von höchster Qualität eingestuft wird.

Was macht ein gutes Kompensationsprojekt aus?

Zusätzlichkeit

Die zur Kompensation anrechenbaren Klimaschutzprojekte müssen zusätzlich sein. Die Projekte wären also ohne den Verkauf ihrer CO2-Reduktionsleistung nicht umgesetzt worden und schaffen so einen zusätzlichen Beitrag.

Keine Doppelzählung

Eine doppelte Anrechnung und Vermarktung von reduzierten Tonnen CO2 muss ausgeschlossen sein. Eine vermiedene Tonne darf nicht von zwei Akteuren zur Kompensation angerechnet werden.

Permanenz / Dauerhaftigkeit

Klimaschutzprojekte, die der Kompensation dienen, müssen langfristig angelegt sein, und die Projektbetreuung muss entsprechend gewährleistet sein.

Unabhängige Überprüfung

Alle Projekte, und vor allem die tatsächlich erbrachte CO2-Reduktionsleistung, müssen nicht nur vom Standardgeber akzeptiert, sondern auch von einer unabhängigen Prüfgesellschaft verifiziert sein.

CO₂-Kompensation mit regionalem Engagement

Eine Möglichkeit, international sowie regional in Deutschland zur CO2-Reduktion beizutragen, bieten die Stadtwerke München (SWM). Sie haben mit M-Kompensation Plus ein eigenes Kompensations-Angebot entwickelt:

Dabei werden internationale Klimaschutzprojekte gefördert, die nach dem „Gold Standard“ zertifiziert sind. Dieser garantiert, dass die stillgelegten Treibhausgase nachweislich eingespart werden und die unterstützten Projekte gut für die lokale Umwelt und Bevölkerung sind. Zusätzlich fließt bei M-Kompensation Plus ein Beitrag in die regionale CO2-Vermeidung: Unternehmen, die sich für M-Kompensation Plus entscheiden, fördern auch den Erhalt und Ausbau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in Deutschland – und damit die Energiewende vor der eigenen Haustür.

M-Kompensation Plus

Kontakt

Sie haben Interesse am Thema CO₂-Kompensation?

Wir freuen uns über einen Austausch mit Ihnen. Nehmen Sie gerne Kontakt auf.

  •  +49 89 2361-9222

Quellen

Climate Sentiment Studie 2022.  Klimawandel und Konsumverhalten: Neue Deloitte Studie im Rahmen des globalen Deloitte Global Consumer Pulse Survey
https://www2.deloitte.com/de/de/pages/consumer-business/articles/studie-klimawandel-und-konsumverhalten.html

Teilbericht. Infopapier zur Marktanalyse Freiwillige Kompensation 2021. Von Denis Machnik, Katrin Schambil, Dennis Tänzler, adelphi, Berlin; Markus Götz, Fanny Meierhofer, sustainable München. Herausgeber: Umweltbundesamt
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/cc_22-2022_infopapier_zur_marktanalyse_freiwillige_kompensation_2021.pdf

Auszeichnungen