SWM setzen auf ökologisches Bauen
10.05.2022 I Die Baubranche ist einer der größten CO₂-Verursacher überhaupt. Jedes neue Gebäude verbraucht tausende Tonnen Beton, Stahl, Zement und anderer Werkstoffe. Als einer der größten Bauträger in München wollen die SWM zukünftig auf nachhaltiges, klimaschonendes Bauen setzen. Michael Jäger leitet das Projekt „Ökologisches Bauen“ bei den SWM. Wir haben mit ihm über „graue" Energie, Nachhaltigkeitsstrategien und mögliche Lösungswege gesprochen.
"Wir wollen die Umweltwirkungen des Bauens, also z. B. CO₂-Emissionen, Abfälle und Flächennutzung, minimal halten."
Michael Jäger arbeitet als Projektmanager im Hochbau und leitet das Projekt „Ökologisches Bauen“ bei den SWM.
Herr Jäger, wie hängen Bauen und Klimaschutz zusammen?
Der Gebäudesektor stößt sehr viel CO2 aus. Ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen gehen auf sein Konto. Viele denken dabei zu Recht an die Heizung: Öl, Erdgas, Holzkessel oder auch das Gas, das wir in unseren Kraftwerken (neben der Geothermie) für die Fernwärmeversorgung nutzen.
Weil die Energiespar-Standards immer strenger werden – was gut ist – nimmt die sogenannte „graue“ Energie, die benötigt wird, um Bauteile herzustellen, einen immer größeren Stellenwert ein. („Grau“ bezieht sich dabei auf den Beton). Jedes Gebäude verbraucht tausende Tonnen Stahl, Zement und anderer Werkstoffe, deren Herstellung sehr viel Energie benötigt und teilweise prozessbedingte Emissionen verursacht. Allein die Zementproduktion ist für 8 % der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Die Baubranche verursacht auch viele andere Umweltwirkungen: 40 % des zu deponierenden Abfalls in Deutschland sind Bauschutt. Und jeden Tag werden für Bauten 60 Hektar Fläche neu in Anspruch genommen.
Was wird beim ökologischen Bauen anders gemacht?
Ökologisches Bauen ist als Teilbereich des nachhaltigen Bauens die Bemühung, die vorhin angesprochenen Umweltwirkungen des Bauens minimal zu halten. Dabei bedient man sich der drei Strategien der Nachhaltigkeit:
Effizienz optimiert die Prozesse und reduziert den Energieeinsatz, zum Beispiel durch bessere Gebäudedämmung.
Konsistenz bezeichnet die Auswahl geeigneter Technologien, also zum Beispiel eine photovoltaik-gespeiste Luft-Wasser-Wärmepumpe statt einer Gastherme zum Betrieb der Heizung.
Suffizienz finde ich persönlich am wichtigsten. Sie meint die kritische Prüfung und Reduktion des Bedarfs: Braucht es wirklich eine Klimaanlage oder kommen wir nicht auch mit Fensterlüftung aus? Muss ein Ein-Zimmer-Apartment wirklich 38 m² groß sein? Müssen wir dieses Gebäude neu bauen oder können wir nicht anderswo ein Gebäude sanieren und umnutzen?
All das passiert aus der Perspektive der Lebenszyklusbetrachtung, also von Anfang an auf Herstellung, Betrieb, Wartung, Instandhaltung, Umnutzung und Entsorgung gleichermaßen schauen.
"Suffizienz ist am wichtigsten: Müssen wir dieses Gebäude neu bauen oder können wir nicht anderswo ein Gebäude sanieren und umnutzen?"
Welche Möglichkeiten gibt es, beim Bauen den CO2-Ausstoß zu verringern?
Ganz konkret schauen wir genauer als bisher hin, wenn es darum geht, den späteren Energieverbrauch schon beim Bau mitzudenken. Das gleiche gilt für die graue Energie, die besonders durch Einsatz von Holz und anderen weniger umweltschädlichen Baustoffen eingespart werden kann.
Ein anderes Thema ist die Flexibilität einer späteren Sanierung oder Umnutzung, damit das Gebäude mehrere Nutzungen überdauern kann. Heute endet das Leben eines Gebäudes ja in der Regel nicht damit, dass es nicht mehr hält, sondern dass es nicht mehr gebraucht wird. Wenn wir dann in 50 oder 100 Jahren doch mal etwas abreißen müssen, wollen wir statt einem Haufen Bauschutt eine möglichst hochwertige Sammlung wiederverwendbarer Ressourcen haben, die nur demontiert werden müssen – das ist die Kreislaufwirtschaft.
Warum setzt die Baubranche bisher kaum auf ökologisches Bauen?
Spätestens seit der Forderung „Verbietet das Bauen!“, die der anerkannte Architekt, Stadtplaner und Wirtschaftswissenschaftler Daniel Fuhrhop 2020 in seinem aktuellen Buch postuliert hat, müsste es eigentlich in aller Munde sein, dass wir beim Bauen einen großen Wandel vor uns haben.
Viele in der Industrie fürchten vielleicht den Mehraufwand der Planung oder mögliche Mehrkosten, die mit unvertrauten, aber keineswegs unerprobten Bauweisen einhergehen. Ich denke auch, dass die Kapitalinteressen der etablierten Bau-(Stoff-)Industrie mehr Nachhaltigkeit im Bauen entgegenstehen. Vermutlich fürchten sie Umsatzverluste für ihre konventionellen, profitablen Stoffströme, wenn sie weniger und anders bauen.
Meiner Meinung nach sind einige Planende im „Alltagstrott“ gefangen und möchten lieber weiter das und so bauen, was und wie sie schon immer bauen. Andersrum erlebe ich auch, dass viele Architekt*innen und Ingenieur*innen hellauf begeistert von unseren Ambitionen sind und sich freuen, sich endlich praktisch mit den großen Fragen auseinanderzusetzen.
Welche Vorgaben zur Klimaneutralität gibt es in der Baubranche?
Die Stadt München hat in Form ihres Bauleitfadens umfangreiche, strenge Kriterien an die Baustoffauswahl und die gesamte Gestaltung ihrer Gebäude erlassen. Auch müssen seit dem Grundsatzbeschluss II für alle städtischen Bauten CO2-Bilanzen vorgelegt werden. Diese Regeln gelten zunächst einmal für das Baureferat, das ja z. B. insbesondere Schulen baut. Wir wollen uns aber auch daran orientieren.
Für Solaranlagen auf den Dächern gibt es bisher keine Pflicht. Diese sind aber auch ohne bisher geltende gesetzliche Vorschrift sinnvoll.
Mit der neuen Gesetzgebung werden wir um den Energiesparstandard Effizienzhaus 40, also 40 % des Verbrauchs eines Referenzgebäudes, bei unseren Neubauten nicht mehr herum kommen. Von Seiten der EU kommt im Rahmen des Fit-For-55-Programms sogar die Pflicht auf uns zu, unsere am schlechtesten gedämmten Gebäude zu sanieren.
Neubauten sollen künftig alle mit Solaranlagen ausgestattet werden.
"Das Mehr an Investitionskosten, um ökologisch zu bauen, sparen wir zum großen Teil später wieder ein."
Visualisierung der neuen Ausbildungswerkstätte, die momentan auf dem Areal der SWM Zentrale gebaut wird.
©Fritsch+Tschaidse Architekten
Wie groß ist der Bereich Immobilien bei den SWM?
Wir haben einen großen und ständig wachsenden Gebäudebestand in München: Bürogebäude, Leitstellen, Werkstätten, sämtliche Bäder, die Gebäude im Olympiapark und mittlerweile sehr viele Werkswohnungen. Mit über 40 Leuten alleine im Bauprojektmanagement und an die 20 laufenden Bauprojekten sind wir sicherlich einer der größeren Bauträger in der Stadt. Bisher ist das überwiegend Neubau, aber in den kommenden Jahren wird auch viel Sanierungsaufwand vor allem an unserem Werkswohnungsbestand auf uns zukommen.
Was machen die SWM, um die Emissionen bei ihren Bauprojekten zu reduzieren?
Im Frühjahr 2021 haben wir uns vorgenommen, die Umweltwirkungen unserer Bautätigkeit genauer zu betrachten und natürlich möglichst zu verringern. Wir haben schnell gemerkt, dass das Thema zu groß ist, um es nebenbei zu bearbeiten. Daher haben wir das Projekt „Ökologisches Bauen“ gestartet, das ich seitdem leite.
Jetzt sind wir dabei, ökologische Kriterien für unsere Prozesse festzulegen. Da wir unsere Gebäude nicht selbst planen, betrifft das vor allem die Auswahl von Zielvorgaben und Bewertungsmethoden, von Vergabekriterien und Leistungsbeschreibungen für spezielle Planungsleistungen.
Parallel schauen wir bei einigen laufenden Projekten, wo man noch optimieren kann. Für unseren neuen Logistikstandort mit seiner Stahlhalle haben wir zum Beispiel entschieden, die Verbundwerkstoff-Elementfassade durch einen recyclingfreundlichen und energiesparenden Aufbau auf Holzbasis zu ersetzen.
Gilt diese Herangehensweise für alle zukünftigen Bauprojekte der SWM?
In der Aufzählung der betreuten Immobilien habe ich weder U-Bahnhöfe noch Kraftwerke erwähnt. Denn die unterliegen nochmal strengeren baulichen Anforderungen als zum Beispiel eine Wohnanlage, so dass viele der erläuterten Ansätze dort gar nicht funktionieren.
Ansonsten haben wir aber schon den Anspruch, in Zukunft unsere Kriterien und Methoden durchgehend bei allen Projekten einzusetzen.
Müssen die SWM jetzt sehr viel teurer bauen als bisher?
Jein. Das Mehr an Investitionskosten geht – je nachdem wen man fragt – weit auseinander, man schätzt es auf 5 bis 20 %. Aber das sparen wir zum großen Teil durch reduzierte Energieverbräuche, Betriebs-, Sanierungs- und Abbruchkosten sowie auch durch Fördermittel später wieder ein. Dazu kommt, dass die hohen Energiepreise auch die Kosten für Stahl und Beton massiv nach oben treiben, was die Lücke verkleinern dürfte.
Aber davon abgesehen: Die Kosten, die Bauverantwortliche für ihre Gebäude heute zahlen, machen nur einen Bruchteil der Kosten aus, die durch die Bautätigkeiten entstehen. Angesichts des Klimawandels und seiner katastrophalen Folgen für hunderte Millionen Menschen auf der Welt, sollten wir alles tun, was möglich ist, um auch beim Bauen CO2 einzusparen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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