Gemeinschaftliches Geothermie-Forschungsprojekt

Geothermie-Forschung: INSIDE horcht ins Erdinnere

12.04.2022 I Wie wirkt sich die Nutzung von Geothermie im Untergrund aus? Gibt es kurzfristige, dauerhafte oder auch nur minimale Veränderungen? Diesen Fragen geht das mehrjährige Forschungsprojekt INSIDE auf den Grund, in dem die Geothermie-Betreiber SWM und Innovative Energie für Pullach (IEP) mit dem Forschungsinstitut Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammenarbeiten.

Glasfaserkabel liefern Echtzeit-Daten aus den Bohrungen

Das INSIDE-Projektteam sammelt mit teils erstmalig hierfür eingesetzter Technik umfangreiche Daten über die Vorgänge in der südbayerischen Molasse. Ziel ist es, mehr über induzierte Mikroseismizität und Bodendeformation im Untergrund des Münchner Raums zu erfahren. Die Erkenntnisse über die geologischen und geomechanischen  Gegebenheiten sind dann Grundlage dafür, dass Geothermieprojekte und -Anlagen künftig noch besser geplant und betrieben werden können.

Ein Forschungs-Ort ist die Geothermieanlage der SWM am Energiestandort Süd. Hier lauschen die Fachleute ganz tief in den Untergrund.

Ein wichtiger Meilenstein wurde jetzt erreicht, wie die Geophysikerin Katja Thiemann, INSIDE-Projektleiterin bei den SWM, erläutert: „Die Geothermieanlage in der Schäftlarnstraße läuft aktuell im Erprobungsbetrieb. Schon 2020, während der Bauphase, haben wir in einer 3.750 Meter langen Bohrung sowie in der zementierten Verrohrung einer weiteren Bohrung bis in über 700 Meter Tiefe Glasfaserkabel verlegt. Damit ist uns die permanente Datenübertragung und -auswertung aus diesen Bohrungen gelungen – eine Premiere bei der Messmethodik, die in Fachkreisen für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat.“

Querschnitt der Erdschichten

Vom Energiestandort Süd gehen drei doppelte Bohrungen (Doubletten) in die Tiefe.
 

Akustische Messungen im Thermalwasser-Reservoir

Die seismische Überwachung basiert auf der sogenannten „Distributed Acoustic Sensing“(DAS)-Technologie. Die Methode ermöglicht kontinuierliche akustische Messungen in Echtzeit über die gesamte Länge eines Glasfaserkabels. Die DAS-Daten werden einmal pro Stunde aus den Bohrungen in die SWM Cloud übertragen und können dort analysiert werden. Somit wird nahezu in Echtzeit ins Thermalwasser-Reservoir gehorcht. Minimale Ereignisse im Untergrund, die aus der gewohnten Frequenz fallen, können nach ihrer Ursache und Dauer untersucht werden.

Die Analyse erfolgt beim Karlsruher Institut für Technologie. Jérôme Azzola, Geophysiker vom KIT: „Die gewonnenen Daten tragen zu unserem umfassenden Monitoringkonzept bei. Zu den Zielen gehört es, das Reservoir-Verhalten besser zu erfassen und schließlich auch am Computer simulieren zu können.“

Datenanalyse

Jérôme Azzola (links) analysiert mit einem Kollegen die Echtzeit-Daten aus der Geothermie-Bohrung in der Schäftlarnstraße.

Visualisierung

Ansicht eines Amplitudenspektrums aus der Bohrung am Energiestandort Süd
© KIT

Film: Geothermie-Forschungsprojekt INSIDE

Dreidimensionale Abbildungen der Bodenveränderungen

Im Rahmen von INSIDE begeben sich die Expert*innen auch in die Frosch- und Vogelperspektive: So werden unter anderem mehrere seismische und geodätische Messstationen an der Oberfläche errichtet. Die seismischen Stationen am Boden sollen das bestehende Überwachungsnetz verdichten. Die geodätischen Stationen kommunizieren wiederum mit Satelliten. Auf diese Weise lassen sich über dreidimensionale Abbildungen Bodenveränderungen im Lauf der Zeit verfolgen.

Ein weiteres Projekt hat die IEP bei ihrer Reinjektionsbohrung in Pullach durchgeführt, wo umfangreiche Bohrlochmessungen vorgenommen wurden. „Mit den Ergebnissen der VSP-Messung (Vertikales Seismisches Profil) an der Pullacher Reinjektionsbohrung Th3 konnten die geologischen Modelle im Münchner Süden maßgeblich verfeinert werden“, sagt Peter Goblirsch, INSIDE-Projektleiter auf IEP-Seite. „Das Monitoringnetz ermöglicht uns einen kontinuierlichen Einblick in den Untergrund und erlaubt eine nachhaltigere Bewirtschaftung.“

„Von den Forschungserkenntnissen profitieren alle Anlagenbetreiber sowie die Menschen in München und der Region, sagt Helge-Uve Braun, Technischer SWM Geschäftsführer. „Denn die Tiefengeothermie als regionale Ökoenergie ist eine Schlüsseltechnik auf unserem Weg in die CO2-neutrale Energiezukunft.“

Das Kürzel INSIDE steht übrigens für „Untersuchung von Induzierter Seismizität & Bodendeformation als Interferenzaspekte beim Betrieb von Geothermieanlagen im bayerischen Molassebecken“.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, vertreten durch die Projektträger Jülich GmbH (PtJ), gefördert. Es läuft bis Ende Mai 2024.

Webseite des Geothermie-Forschungsprojekt INSIDE

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